Grenzöffnung am Sonntag, 12. November 1989, 10.00 Uhr, auf der A 4 im Bereich der Abfahrt nach Untersuhl/Gerstungen von Willi Müller, Bürgermeister Wildeck
Nachts gegen 24 Uhr auf der A 4 (Geschichtsverein Wildeck) Gegen 23.00 Uhr rief mich ein Beamter des Zollkommissariats Obersuhl an und bat mich, zur Grenze im Bereich der A 4 zu fahren. Zwei Zollbeamte seien dort. Auf DDR Seite der A 4 – Abfahrt in Richtung Untersuhl / Gerstungen - werde gearbeitet. Man vermute, dass die Öffnung der Grenze vorbereitet werde. Ich fuhr umgehend zur A 4 Grenze und traf dort die beiden Zollbeamten Heinrich Weitz und Manfred Ries. Sie bestätigten die Angaben des Kommissariats. Wir hörten aus der Dunkelheit in Richtung Untersuhl die Arbeitsgeräusche. Nun wollte ich natürlich wissen, was die DDR Seite beabsichtigte. Ich rief in die Dunkelheit und bat um Rückmeldung. Niemand antwortete. Dann sah ich nur noch die Möglichkeit, über die Grenze in Richtung Grenzzaun zu gehen, um dort ggfs. Kontakt zu den DDR Grenzsoldaten aufzunehmen. Ich ging über die gelb markierte Grenzlinie ca. 20 m auf DDR Gebiet. Plötzlich tauchten aus der Dunkelheit DDR Grenzsoldaten auf und forderten mich auf, sofort das Gebiet der DDR zu verlassen. Ich blieb stehen, teilte den Soldaten meinen Namen und meine Funktion als Bürgermeister der Gemeinde Wildeck mit und bat um ein Gespräch mit dem zuständigen Offizier. Nach kurzer Zeit kam ein Major der Grenztruppen der DDR auf mich zu und sprach, ohne sich vorzustellen, in einem barschen Ton: “Was wollen sie?“. Ich antwortete: „Ich bin Bürgermeister der Gemeinde Wildeck, mein Name ist Willi Müller. Ihre Leute arbeiten an der A 4 Abfahrt. Ich nehme an, dass Sie morgen die Grenze in diesem Bereich öffnen werden. Informieren Sie mich doch bitte über die genaue Uhrzeit, damit wir auf unserer Seite entsprechende Maßnahmen ergreifen können.“ „Wir haben alle Angaben nach Bonn gemeldet, sie sind also informiert“, war seine Antwort. „Bonn ist weit“, antwortete ich, „wir haben noch keine Nachricht erhalten. Ich bitte sie daher, mir die von ihnen geplante Öffnungszeit zu nennen.“ Nach kurzem Zögern sagte er: „Die Grenze wird an dieser Stelle morgen um 10.00 Uhr geöffnet“. Meine Antwort: „Ich danke ihnen, wir werden sofort alle notwendigen Maßnahmen einleiten. Darf ich Ihnen die Hand geben?“ Der Major zögerte kurz und gab mir dann die Hand. Einige Wochen später, bei einer Besprechung mit DDR Offizieren in Thüringen kam ein Major auf mich zu und bat unter Hinweis auf diese eben geschilderte nächtliche Begegnung um Entschuldigung für sein unfreundliches Verhalten. Er sei, so seine Begründung, durch die sich überschlagenden Ereignisse sehr verstört gewesen. Sein Name: Major Fleischmann vom Grenzkreiskommando 304 Eisenach.
Bundesgrenzschutz, Autobahnmeisterei und Bauhof der Gemeinde legen los Ich ging zurück zu unseren Zollbeamten. Nun wurden über die Zolldienststelle der Bundesgrenzschutz in Bad Hersfeld und die Autobahnmeisterei Hersfeld informiert. Auch unseren Bauhof, Vorarbeiter Georg Kaufmann, den Obersuhler Ortsvorsteher Josef Keck, die HNA, Herrn Redakteur Niesen u.a. informierte ich. Bald begannen auf unserer Seite der Grenze die Arbeiten, um die A 4 bis 10.00 Uhr für den Verkehr fahrbar zu machen. Vom Bundesgrenzschutz rückte gegen 03.00 Uhr Polizeioberrat Gerhard Beyer, Kommandeur der Hersfelder Abteilung, mit seiner Mannschaft, darunter auch Pioniere, an. Zuvor war der BGSler Hans-Karl Gliem aus Obersuhl schon vor Ort, wurde aber zur Abteilung befohlen. Von der Autobahnmeisterei traf Herr Lehn als Autobahnmeister mit seinen Mitarbeitern und auch Vorarbeiter Georg Kaufmann vom Bauhof Wildeck ein. Kaufmann hatte den Auftrag, mit dem Gemeindebagger die provisorische Auf- und Abfahrt zum Feldweg oberhalb der A 4 Brücke - der Weg führte nach Obersuhl - Wachhöhlenweg/Zur Wache – zu planieren und zu und schottern.
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